Bei dem Begriff „Aktivist*in“ fällt mir zunächst eine Person ein, die sich politisch engagiert und auf Demonstrationen geht. Die Bedeutung von Aktivist*in im Duden lautet: „besonders politisch aktive Person, zielstrebig Handelnder“.
»Verändere dich, wenn du die Welt verändern willst. Beweise durch deine innere Transformation, dass dein Wahrheitsbewusstsein die materielle Welt in Besitz nehmen kann.« -The Mother (3)
Betrachte ich mich nun genauer, bin ich in vielerlei Situationen politisch aktiv. Zum Beispiel beim einkaufen, dann entscheide ich mich bewusst für bestimmte Produkte und Marken und unterstütze somit auch bestimmte Marken und Unternehmen, ich unterstütze finanziell die Arbeits- und Produktionsweisen, ich unterstütze die Werte und die Ziele des Unternehmens. „Jeder Einkaufsbeleg ist unser täglicher Stimmzettel.“ Diesen Satz habe ich schon oft gehört und jedesmal wenn ich einen Einkaufsbeleg in der Hand halte werde ich mir der Bedeutung mehr bewusst.
Auch zielstrebiges Handeln fällt in die Bedeutung des Aktivisten. Wenn ich mich also konsequent um eine Thematik kümmere und bemühe und meine Werte dementsprechend schaffe in konkretes Handeln umzuwandeln, dann bin ich ebenfalls Aktivistin. Deshalb bin ich Aktivistin, obwohl ich eher selten auf Demonstrationen mitlaufe und noch nie demonstrative Aktionen im öffentlichen Raum organisiert habe. Ich kaufe bewusst ein, überlege mir wen ich mit meinem Kauf unterstützen möchte und wen nicht. Auch durch Verzichten bin aktiv, wenn ich bewusst auf Plastik oder auch Neuware verzichte.
Aber wie kommen wir dahin Aktivist*in zu werden und bewegen wir tatsächlich durch einfaches tägliches Handeln etwas Großes? Alles Große beginnt im Kleinen. Jede Transformation in der Geschichte.
Die Bewusstseinsveränderung
Wie kommt es tatsächlich zu Veränderungen? Wann immer Menschen vor einem Dilemma standen, einer offensichtlichen Ungleichheit, einer Misshandlung von größerem Ausmaß, begannen Veränderungen und Revolutionen. Für den Menschen ist es dringend notwendig, aus einer miserablen Phase des Seins zu entkommen. Sobald wir vor einem persönlichen Dilemma stehen, erkennen wir einen gewissen Transformationsbedarf. Wir werden uns unser eigenen und der Annahmen und Erwartungen anderer kritisch bewusst. Wir erkennen, überdenken und modifizieren die Annahmen und Erwartungen, die unsere stillschweigenden Sichtweisen bestimmen, und beeinflussen selber unser Denken, unsere Überzeugungen und Einstellungen. Im nächsten Schritt gehen wir die Probleme aus einer kritischen Perspektive an und lernen durch kritische Reflexion, auf unsere eigenen Zwecke, Werte, Gefühle und Bedeutungen zu reagieren, anstatt auf diejenigen, die wir unkritisch von anderen assimiliert haben. Auf der Grundlage neuer Erkenntnisse ergreifen wir passende Maßnahmen.
Der amerikanische Soziologe Jack Mezirow untersuchte diese Strategien transformativer Veränderungen auf der Grundlage von Forschungen aus den 1970er Jahren über die noch die da gewesene Präsenz von Frauen in der Hochschulbildung. Sein Ziel war es die zugrunde liegenden Absichten und Verfahren dieser Veränderungen zu verstehen. Darauf aufbauend etablierte er die Theorie des transformativen Lernens, die erklärt, warum und wie wir Veränderungen in die Tat umsetzen können. Transformatives Lernen bietet das Potenzial, die Wert-Handlungs-Lücke zu überwinden, die unser Bewusstsein für Bedrohungen von unserer Fähigkeit trennt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Es liegt in unserer Natur, dass wir versuchen Lösungen zu finden, um störende Situation zu verändern. So wurden viele unserer Erfindungen umgesetzt. Durch Kreativität und die Anwendung von systemischem Denken erarbeiten wir uns einen Ausweg aus einer unangenehmen Situation. Wir sind von Steinen genervt, wir finden Wege Bronze zu verwenden. Wir ärgern uns über das Jagen und Sammeln, also bauen wir unser eigenes Essen an und halten unsere eigenen Tiere. Wir sind es leid immer laufen zu müssen, wir beginnen andere Dinge für den Transport zu verwenden. Das Reisen wird schneller, wir finden Wege über große Entfernungen zu kommunizieren. Wir sind genervt, dass wir immer am Computer sitzen müssen, um E-Mails beantworten zu können, also erfinden wir ein Gerät das wir überall hin mitnehmen können. Wir werden immer etwas finden, das optimiert werden muss.
Sobald die Menschen ein optimalen Wohlstand erreicht haben, suchen sie nach neuen Dingen, die sie verbessern könnten.
Wie jüngste Untersuchungen gezeigt haben, nimmt die Umweltzerstörung während des Wirtschaftswachstums zu, sobald aber ein bestimmter Punkt des Wohlstands erreicht ist (Befriedigung aller menschlicher Grundbedürfnisse) beginnt gleichzeitig das umweltfreundliche Verhalten aufzutauchen. Wenn sich die Einwohner von schmutzigen Flüssen, dem Mangel an Grün und der umweltschädlichen Industrie belästigt fühlen, beginnen sie die Umwelt wiederherzustellen und verschmutzende Unternehmen zu verbieten.(1) Daraus könnten wir schlussfolgern, dass es reicht abzuwarten, bis jede Region dieser Welt dieses Maß an Wohlstand erreicht hat, dann findet jede*r automatisch Gründe die Umwelt zu schonen. Leider wird es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät sein und die Zerstörungen werden so weit zugenommen haben, dass es nichts mehr zu retten gibt. Zudem sind die globalen Disparitäten menschengemacht und haben zum Ziel das dieses Verhältnisse so erhalten bleiben. Deshalb müssen Lösungen anders aussehen und vor allem jetzt angewendet werden.
Ein anderer Weg zur Transformation ist die häufige Anwendung von Veränderungen über einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise über Bildung. Dies bedeutet, wenn wir anfangen immer wieder Bildung und Information anzuwenden, werden wir nachhaltige Arbeits- und Lebensmethoden entwickeln und die Theorie in die Tat umsetzen.(2)
Es ist an der Zeit, mit alarmierenden Analysen unseres gegenwärtigen Fehlverhaltens aufzuhören und mit transformativem und kollektivem Lernen zu beginnen die Welt zu verändern. Es ist an der Zeit das Gefühl der Hilflosigkeit abzulegen. Genau dass geschieht seit einigen Jahren auch vermehrt: In den Schulen, Hochschulen, in den Medien und im Alltag finden wir immer nicht mehr nur alarmierende Informationen zum Klimawandel, zum Ressourcenverbrauch und zur Umweltzerstörung, wir finden vermehrt aktive Angebote die uns zum handeln bewegen.
Hier beginnt die Reise. Mache deine Ideen wahr und zeige anderen, dass es möglich ist. Der Schlüssel liegt darin, nicht nur zu reden. Auf unserem Weg zur kollektiven Bewusstseinsbildung muss jede*r einzelne überlegen: Woher komme ich, an welchem Punkt stehe ich und wohin will ich. Dann schließe deine Wert-Handlungs-Lücke.
Handlungen können sich im Großen und im Kleinen abspielen. Ich bin Aktivistin wenn ich mein Deo selber mache, wenn ich meine Hose nicht neu kaufe sondern gebraucht, wenn ich mein Handy repariere statt es wegzuwerfen. Wie weit du deinen Aktivismus ausdehnen möchtest, ist dir überlassen. Du kannst deine Freunde, Familie und Kinder darüber aufklären. Du kannst mit gutem Beispiel voran gehen und zum Handeln motivieren. Organisiere einen Kleidertausch-Abend statt einer Shopping Tour, plane ein veganes Familienfest, oder tausche Werkzeug mit deiner Nachbarschaft. Aktivismus liegt im kleinen, es muss nicht immer die Großveranstaltung sein die möglichst Viele anzieht. Du kannst dich im Beruf, in der Schule oder im Studium engagieren. Wenn du lieber für dich bist, engagiere dich für dich selbst. Du musst es auch mit Niemanden teilen wenn du nicht möchtest. Klimawandel ist im Alltag nicht sichtbar, dein Kampf gegen Klimawandel muss auch nicht sichtbar sein. Wenn du dich mitteilen möchtest, tue es und inspiriere damit andere. Aber belehre nicht, alarmiere nicht und verurteile nicht. Das Ego der Anderen fühlt sich dann angegriffen und verschließt sich.
Lerne wahre Werte und Bedürfnisse, das Engagement, die Achtsamkeit, die Geduld, die Kreativität, die Intuition, den gegenseitigen Respekt und die Verbindungen kennen und kommuniziere diese durch dein Handeln. Dann können wir uns alle weiterentwickeln und ein kollektives Bewusstsein aufbauen.
Wenn dich genau diese Themen beschäftigen und nicht loslassen wollen, wenn du Antworten suchst aber dich von der Dimension der Aspekte überfordert fühlst, dann schaue dir mein Seminar „Becoming a Sustainability Pro“ an.
In dieser Fortbildung lernst du die Probleme, Lösungene und Prinzipen im Bereich Nachhaltigkeit kennen. Du erwirbst ein breites und tiefgehendes Wissen über Nachhaltigkeit und kannst dieses nicht nur in deinem Alltag nutzen, sondern auch professionell einsetzten. Ich freue mich auf dich!
1) „Steinzeit-Ökologen: Warum das Klima nur mit mehr Wachstum zu retten ist“, A. Neubacher, Der Spiegel, 21/2012, Spiegel Verlag, Hamburg
2) „Transformative Learning for Sustainable Education“, J. Boehnert
3) The Mother, Words of the Mother – II, Shri Aurobindo Ashram Trust 1980, 2003, p. 275
Fotos: Alana Zubritz