ZIVILISATION IM GLÜCK?
Ist die Suche nach materiellem Reichtum der Sinn des Lebens? Wurden wahre menschliche Werte wirklich durch wirtschaftliche Werte ersetz? Dieser Fortschritt hat uns definitiv zu einem Punkt gebracht, das als „Hyper-Konsum-Kultur“ bezeichnet wird. Sind wir also nur die Summe unserer Besitztümer oder wonach streben wir eigentlich im Leben? Was macht uns Glücklich?
»Ich sitze auf dem Rücken eines Mannes, würge ihn und lasse mich von ihm tragen, und dennoch versichere ich mir und anderen, dass es mir sehr leid tut und ich möchte ihn mit allen Mitteln erleichtern, außer von seinem Rücken zu steigen.«1
- Leo Tolstoi
Wer sind wir als Zivilisation? Was sind unsere Ziele? Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor? Denken wir als Kollektiv? Denke ich an meine eigene Zukunft? Was ist Zeit? Haben unsere Kinder eine Zukunft? Warum zerstören wir alles? Warum brauchen wir jedes Jahr ein neues Handy? Wohin gehen die Alten? Wie lange dauert die Reise einer Mango die in Deutschland verkauft wird? Wie viel unseres Konsums brauchen wir und wie viel davon ist Gier? Wie sehr kontrolliert mich die Werbung? Wie sehr kontrollieren mich die Medien? Habe ich freien Willen? Wie viele Schulden habe ich? Warum hat die Menschheit Schulden in Höhe von über 224 Billionen Dollar? Wem schulden wir das Geld? Werden wir es jemals zurückzahlen? Soll ich mir darüber Sorgen machen? Mache ich mir zu viele Sorgen? Oder nicht genug? Wer ist verantwortlich für uns? Wer prägt unsere Zivilisation?
Es mag kompliziert erscheinen (oder auch nicht), die Zivilisation zu einem verantwortungsbewussteren Verhalten umzuerziehen. Tatsache ist, dass in den Menschen die Teil der Konsumkultur sind, die wirtschaftlichen Werte so sehr eingeprägt sind, dass sie Wirtschaftswachstum und unendlichen Konsum für grundlegende menschliche Merkmale halten. Wenn sie ein Teil davon sind ist es aber auch schwierig, die Umstände zu erkennen. Man kann quasi den Wald vor lauter Bäume nicht sehen. Es gibt viele verschiedene Faktoren die uns beeinflussen: unser kultureller Hintergrund, Bildung, Medien, Regierung, Gesetzte, Industrie, unser soziales Umfeld und Peer Groups. Sie alle prägen uns als Individuen, unseren Verstand und unseren Verhaltensweisen. Einem Faktor allein dafür verantwortlich zu machen, würde letztlich nicht verändern wer wir als Kollektiv sind, denn alle diese Faktoren haben einen unvorhersehbaren Einfluss auf Individuen, die wiederum unsere Zivilisation bilden. Eigentlich arbeiten wir alle auf das gleiche Ziel hin: Wirtschaftswachstum, Wohlstand für alle und aus der Armut herauszukommen. Leider ist das eine unmögliche Aufgabe, denn um der ganzen Menschheit das Leben und die Verbrauchsstandards westlicher Gesellschaften zu ermöglichen bräuchten wir die Ressourcen von mindestens fünf Planeten.
Satish Kumar, Herausgeber des „Resurgence“ Magazins schlägt deswegen vor, dass wenn wir uns von Armut verabschieden wollen müssen wir uns auch von Wohlstand verabschieden, denn »hohe Berge schaffen tiefe Täler«.2
Was macht uns glücklich?
Wie kann ich den Reichtum aufgeben, für den ich so hart gearbeitet habe? Habe ich tatsächlich hart gearbeitet? Was mache ich eigentlich? Macht es mich glücklich? Was macht mich glücklich? Was ist Reichtum für mich? Was bedeutet Wohlbefinden?
Die vorherrschende Annahme betrachtet „Wohlstand“ als materiellen Wohlstand. Dieses unsinnige Axiom entstand in die 1950er Jahre, mit dem dringenden Bedürfnis nach Wirtschaftswachstum und versucht seitdem Konsum zu steigern durch Werbung, Medien und strategische Manipulation. Das war bislang anscheinend sehr erfolgreich, denn wir betrachten mittlerweile Konsum als natürliches Menschenrecht (3) und glauben, dass nur „haben“ unser „sein“ lebenswert macht.
Ist die Suche nach materiellem Reichtum der Sinn des Lebens? Wurden wahre menschliche Werte wirklich durch wirtschaftliche Werte ersetz?
Dieser Fortschritt hat uns definitiv zu einem Punkt gebracht, das als „Hyper-Konsum-Kultur“ bezeichnet wird. Das Pro-Kopf-BIP (Bruttoinlandsprodukt) galt lange Zeit als Indikator für den Lebensstandard eines Landes. Je höher das BIP desto höher der Lebensstandard und auch das Wohlbefinden, mit der Begründung, dass alle Bürger von der gesteigerten Wirtschaftsproduktion ihres Landes profitieren. Jedoch haben jüngste Untersuchungen gezeigt, dass das BIP eines Landes wenig Einfluss auf das Glück oder das Wohlbefinden seiner Bürger hat.
Laut der „World Values Survey Association“ bringt der Übergang von einer Gesellschaft der Knappheit zu einer Gesellschaft der Sicherheit eine enorme Steigerung des subjektiven Wohlbefindens mit sich. Aber dann es gibt eine Schwelle, ab der das Wirtschaftswachstum das subjektive Wohlbefinden nicht mehr signifikant steigert.
Das kann mit der Tatsache verbunden sein, dass z.B. Hunger auf dieser Ebene für die meisten Menschen kein wirkliches Problem mehr ist. Das Überleben wird ab da für selbstverständlich gehalten, es bilden sich zunehmend Postmaterialisten. (4)
NEF (die New Economics Foundation) hat eine Messung entwickelt, die das Wohlergehen, die Lebenserwartung und den ökologischen Fußabdruck nach Ländern misst. Diese wird als „Happy Planet Index“ (HPI) bezeichnet. Es werden globale Daten verwendet um einen Index zu erstellen, aus dem hervorgeht in welchen Länder die Einwohner ein langes, glückliches Leben führen, während die Bedingungen für zukünftige Generationen erhalten bleiben. NEF unterstützt die Idee des „nachhaltigen Wohlbefindens“. Die 2016 veröffentlichte Studie zeigt, dass unter den Top 40 Ländern nach HPI-Gesamtscore nur vier Länder ein Pro-Kopf-BIP von über 15.000 USD haben (zum Vergleich: Die USA haben ein Pro-Kopf-BIP von 65.254 USD und Deutschland 46.473 USD). Ganz oben auf dem Rang des Happy Planet Index finden wir zunächst Costa Rica, dann Mexiko, als drittes Kolumbien, als viertes Vanuatu und als fünftes Vietnam. Der höchste Rang einer europäischen Nation ist Norwegen auf dem 12. Platz, Deutschland, das viert reichste Land der Welt ist erst auf Platz 49 zu finden. Das reichste Land der Welt (laut BIP) die USA liegen auf Platz 108 von 140 Ländern.(5) Zusammenfassend hängt unser Wohlbefinden nicht von einem hohen Einkommen oder der Fähigkeit Geld auszugeben ab. Haben macht uns nicht glücklicher, es geht vielmehr darum zu sein. Daraus schließend haben wir alle die Möglichkeit, mit gerecht verteiltem Reichtum zu leben ohne die Ressourcen von vier weiteren Planeten zu verbrauchen, zumal wie diese nicht haben.
»Es ist nicht der Reichtum, der der Befreiung im Wege steht, sondern die Bindung an den Reichtum; noch der Genuss von lustvollen Dinge, aber das Verlangen nach ihnen.« (6)
-E. F. Schumacher
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1 L. Tolstoy in: „Small is beautiful: a study of economics as if people mattered“, E. F. Schumacher, Vintage, London, 1993, p. 182
2 „Grounded Economic Awareness: Ökonomisches Bewusstsein basierend auf ökologischen und ethischen Werten“, S. Kumar, Das Handbuch für Nachhaltigkeitskompetenz, University of Brighton
3 „The Nature of Design: Ecology, Culture, and Human Intentions“, D. W. Orr, Oxford University Press, New York, 2002, p. 120
4 „Glückstrends in 24 Ländern: 1946-2006 “, Inglehart, Welzel und Foa, http://www.worldvaluessurvey.org/wvs/articles/folder_published/article_base_106, World Values Survey Association
5 „The Happy Planet Index 2016: Ein globaler Index für nachhaltiges Wohlbefinden “, S. Abdallah, J. Michaelson, S. Shah, L. Stoll und N. Marks, Juni 2012, NEF (The New Economics Foundation)
6 „ Klein ist schön: ein Studium der Wirtschaftswissenschaften, als ob Menschen waren wichtig “, E. F. Schumacher, Vintage, London, 1993, p. 41)
Fotos: Alana Zubritz